Der erste Freund

26. September, 1 Uhr nachts: „Pedro Prüser gefällt G²“ teilt uns Facebook nüchtern in einem kleinen Kasten auf dem Bildschirmrand des Laptops mit. Plopp – und weg ist es wieder. Frenetische Freude im G²-Hauptquartier in Hannover. Unser erster Facebook-Freund. Wow! Wer uns mag, den mögen wir auch, beschließen wir. Und besuchen den Comedy-Künstler im realen Leben. Teechen trinken und ’nen Plausch halten. Wie das Freunde eben so machen.

Das Teewasser blubbert im Wasserkocher. Kanne, Tasse, Teebeutel – alles steht bereit. Schwarzen Tee in die Kanne geben, heißes Wasser drüber, ziehen lassen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen und verkniffenem Mund tappt Pedro Prüser von der Küche ins Wohnzimmer – sein Ich-bin-konzentriert-Gesicht. Ernst schaut er dann. Ein seltener Moment. Ist der blaue Kittel im Koffer? Fehlt der Pümpel? Zweifel. Koffer auf, Sachen raus, Kostüm-Check. Ja, Hausmeister Heinrich Bloch ist komplett.

Wo ist die Wegroute? Weg …

Alles wieder in den Koffer packen. „Wenn ich einen Auftritt habe, bin ich morgens schon aufgeregt“, erzählt uns der Comedian bei einer Tasse Tee in seiner Wohnung in der Calenberger Neustadt. Und muss über sich selbst lachen. Laut lacht er, mitreißend und oft. Wo ist die Wegroute zum Auftrittsort? Weg. Ab zum Computer, nochmal drucken.“Ich mache mir Tee, vergesse, dass ich ihn gemacht habe, dann wird er kalt und gieße damit die Blumen.“ Schwarzer Tee fürs Blattgrün. Den Pflanzen gefällt’s. Wasser trinken ist langweilig.

Langeweile passt in sein 2-Zimmer-Zuhause nicht mehr rein. Platzproblem. Werbeplakate mit Auftritten aus vergangenen Zeiten, antike Möbel von der Großtante und Maskottchen mit Erfinder-Geschichte gibt’s in jeder Ecke. „Für die Stadtentwässerung Hannover habe ich Paul Pümpel kreiert“, sagt er. Als Hausmeister Heinrich Bloch bespaßte er mit einem Auftritt das Team. „Überall standen diese Pümpel auf den Tischen“, sagte er und zeigt auf einen Gummi-Stifthalter. Sie inspirierte ihn. Augen drauf, fertig ist das putzige Kerlchen. So einfach ist das in der Prüser-Welt.

„Im Heinrich steckt am meisten Pedro“

Viele bunte Murmeln sind in seinem Kopf – unzählbar. „Darum ist der Kopf ja rund, damit die Murmeln kullern können, nech“, sagt er mit veränderter Stimmlage. Was ist das? Plattdeutsch? Wir lauschen. Und plötzlich sitzt Hausmeister Bloch vor uns. Für Sekunden. Dann ist Pedro wieder da. Faszinierend.

„Alle Geschichten zu den einzelnen Figuren sind hier oben drin“, sagt er und tippt an seine Stirn. Jede Figur hat ihren eigenen Charakter. 14 Stück. Butler Mortimer ist höflich, Schlagerstar Don Pedro ein Frauenheld und Hausmeister Bloch ein kreativer Bastler. „Und er rettet die Welt“, fügt Pedro hinzu. Der Hausmeister ist sein Liebling. „Im Heinrich steckt am meisten Pedro.“ Und: Es war die erste Rolle. Sein Anfang.

Beruf: Gute-Laune-Mann

Am Anfang war die Ampel rot. Und er stand dort, neben Wolfgang Werner,  dem Direktor der Werkstatt-Galerie Calenberg, zufällig. Sie warteten, plauschten und lachten. Und dann zeigte Werner dem gelernten Koch Prüser sein Theater. Aus der Führung wurde kurze Zeit später ein Job-Angebot als Walk-Act.  „Ich dachte mir zuerst: Was ist das denn, ein Walk-Act? Ich kann das nicht“, erzählt Pedro. Doch die Gage überzeugte ihn. „Damit konnte ich drei Monate meine Miete zahlen. Also dachte ich mir: Hey, ich kann das doch.“ Das war im Jahr 2000. Ein entscheidender Moment. Sechs Jahre nach dem Sprung ins kalte Wasser, machte er sich selbstständig. Beruf: Gute-Laune-Mann bei Comedy Hannover.

Und was ist ein Mann ohne Frau? Nichts. Darum steht Comedy-Partnerin Susanne Nülle stets an seiner Seite, wenn’s auf die Bühne geht. Als Zofe Rose, Betty Beauty oder Hausmeister-Frau Bertha Bloch. „Als Magd Martha ist Susanne am beliebtesten. Kaum setzt sie sich zu den Leuten an den Tisch und sagt ‚Tach!‘, wird sie in den Arm genommen“, erzählt Pedro. Für seine Rolle Bauer Meyer ist das okay, Eifersucht ist kein Thema, er kann darüber lachen.

Mütze ab, Brille ab, Pedro sein

Kennengelernt haben sich die zwei Spaßvögel im Zoo. „Ich war dort Schlangen-Manager“, sagt Pedro. Sein Job: Lustig sein und Neulinge in der Warteschlange vor dem Eingang begrüßen. Die Schlangen-Tiere hätten sicher auch gern Witze gehört. „Die haben aber keine Ohren“, weiß Pedro. Stimmt. Menschen aber.

Und für die gab’s dann das auf die Lauscher: „Schön dass Sie auch schon da sind, haben Sie die Telefonnummer von dem Mensch ganz vorne? Können sie sich austauschen und schon mal kennenlernen … Ich organisier das mal für Sie“, improvisiert er. Ulkige Vorstellung. „Sobald ich das Kostüm anhabe, bin ich in der Rolle. Und umgekehrt: Mütze ab, Brille ab, dann bin ich wieder ich“, sagt Pedro. Das wollen wir sehen und begleiten ihn in die heimische Garderobe.

Perücken, falsche Zähne, Gehstöcke – alles da. Bauer Meyer, Kapitän Hans, Butler Mortimer und der Kaiser von Hannover hängen dicht gedrängt an den Kleiderstangen und warten aufs Scheinwerferlicht.

Erst gähnen, dann grinsen

„Kurz vor dem Auftritt sind Susanne und ich immer tierisch müde, kaum sind wir auf der Bühne, sind wir wieder hellwach. Woran das liegt, haben wir noch nicht rausgefunden“, sagt er und greift zum Glitzermikrofon. Schlagerstar Don Pedro springt durch’s Zimmer. Charmanter Typ. Singt und tanzt. Gitarre spielen kann er auch, der Pedro. Ganze drei Akkorde. „Das reicht. Hauptsache der Text des Liedes ist gut“, sagt er und trällert uns ein Liedchen vor. Privatauftritt für G². Wir klatschen.

Die emotionalsten Auftritte sind die, die dem Comedy-Star im Gedächtnis bleiben: Als versteckter Gast wurde das Spaß-Duo Pedro und Susanne für eine Hochzeit engagiert. Das Brautpaar: Zwei Fremde. Ihre Rolle: Zwei gute Bekannte der Turteltauben, Eventmanager Winfried Weber und Cordelia. „Wir bekamen Insider-Infos von Freunden des Brautpaars und ich hielt eine herzzerreißende Rede auf der Feier“, erzählt Pedro, „irgendwann haben wirklich alle geglaubt, dass wir mit dem Paar dick befreundet sind. Auf dem offiziellen Hochzeitsfoto stehen wir ganz vorne.“ Ein Riesenspaß. Als der Vorhang fällt können alle herzlich lachen.

Wir lachen mit. Heinrich-Don-Kaiser-Pedro, spätestens zum Karneval kommen wir wieder. Um uns bunte Hüte auszuleihen. Und Tee zu trinken …

Mareike Köster und Ina Richter (Fotos)